Interview mit Annette Bauer: Nicht überall, wo Aufschieben drauf steht, ist Aufschieben drin

In diesem Interview erzählt Annette Bauer, was es mit dem Begriff “Scanner” auf sich hat und warum Aufschieben nicht nur negative Seiten hat.

Das Interview war sehr ergiebig. Hier die wichtigsten Punkte in Kürze:

Was sind “Scanner”?

“Scanner” sind Menschen, die ständig neue Ideen haben und neue Projekte anfangen und dabei viel Spaß haben. Sie überblicken neue Themen vergleichsweise schnell und sind dadurch auch schnell gelangweilt. Sie sind sehr gute Projektmitarbeiter, denn es ist gut für sie, wenn etwas auch zu Ende gehen darf. Es kann wie Aufschieben wirken, wenn sie ein Projekt von außen betrachtet nicht zu Ende bringen. Es kann aber sein, dass das Thema für die Scannerperson bereits abgeschlossen ist. “Ich kann doch jetzt Gitarre spielen.” Sie wechseln häufig auch ihre Hobbys oder wechseln zyklisch zwischen ihren Freizeitaktivitäten.

Scannerpersönlichkeit behaupten von sich selbst häufig, dass sie aufschieben. Annette Bauer hat herausgefunden, dass dies aber meistens gar nicht das klassische “Aufschieben” ist.

Welche Unterscheidung besteht zwischen Prokrastination und Aufschieben?

Prokrastination kommt aus dem klinischen Kontext und sollte benutzt werden, wenn das Verhalten einen “Krankheitswert” hat, d.h. schwerwiegende Auswirkungen. Es könnnte z.B. als Begleitsymptom bei Depression oder einer anderen psychischen Erkrankung auftritt. Prokrastination wird im deutschen Gesundheitssystem bisher nur als Symptom gesehen und nicht als eigenständige Krankheit, für die eine Behandlung mit der Krankenkasse abgerechnet werden kann. In Amerika wird dies bereits anders gesehen.

Prokrastinierer leiden unter starken Auswirkungen ihres Verhaltens, z.B. finanziell oder bei der Arbeit. Aufschieben können hingegen ist auch eine Gabe, es bedeutet, dass man Prioritäten setzen kann. Eine Aufgabe zugunsten einer anderen aufzuschieben kann man als positives Aufschieben bezeichnen. Zwischen Prokrastination und Aufschieben liegt eine sehr große Bandbreite verschiedener Verhaltensausprägungen. Wer unter seinem Verhalten leidet, sollte sich rechtzeitig Unterstützung suchen.

Die Forschung im deutschsprachigen Raum bezieht sich v. a. auf akademisches Aufschieben, d. h. auf Studierende, die häufig ein Problem mit ihrer Arbeitsorganisation haben. An einigen Universitäten, z. B. in Münster und Berlin, gibt es Prokrastinationsambulanzen, an die man sich mit seinem Problem wenden kann, z. B. falls die eigenen sozialen Beziehungen oder seinen Arbeitsplatz durch das problematische Verhalten in Gefahr sind. Wer sich eher als Aufschieber denn als Prokrastinierer sieht, sollte sich einen Coach suchen und sich darüber Unterstützung holen.

Hat Aufschieben und Prokrastination vor allem mit Motivation zu tun?

Gemäß Annettes Erfahrung hat Aufschieben immer etwas mit einer Blockade zu tun. Motivationsratgeber helfen den meisten beim Anfangen nicht weiter, weil diese das Problem nicht lösen. Das Gegenteil von Motivation ist die Blockade.

Wieviel Aufschieben ist normal? Ab wann ist es schlimm?

Solange das Aufschiebeverhalten keinen inneren oder äußeren Stress erzeugt, ist eigentlich alles in Ordnung. Wenn es aber Leidensdruck erzeugt, dann sollte man etwas tun.

Hat Aufschieben auch positive Seiten?

To-do-Listen haben Annette früher gestresst. Mittlerweile ist sie zum intuitiven Arbeiten gekommen. Dies vermeidet die ellenlangen To-do-Listen. Wenn man die Aufgaben eher im Hinterkopf behält und sich immer auf die wichtigen A-Prioritäten konzentriert, erledigen sich manchmal auch Dinge von selber. Das ist positives Aufschieben und ich habe weniger zu tun. Oder es kommt jemand und fordert die Aufgabe ein, dann kann ich es noch erledigen. Mit dieser Technik habe ich weniger zu tun. Wir müssen nicht allen Erwartungen von außen nachkommen. Wir dürfen auch mal Aufgaben nach hinten legen.

Schwierig: “Ich schiebe das jetzt auf.” Besser: “Ich warte mal, wie sich diese Sachen entwickelt.” Das ist angewandte positive Psychologie. So gesehen ist es eine Gabe, Dinge aufschieben zu können, die zu mehr Entspannung führen kann.

Beispiele für Blockaden:

Emotionen wie z.B. Groll oder Angst. Oder ein Schlüsselerlebnis in der Vergangenheit “Ein Lehrer hat mir mal gesagt…”. In einem Beispielfall war das “Thema hinter dem Thema” Angst vor Erfolg.

Schlussworte:

  • Nicht alles, wo Aufschieben drauf steht, ist Aufschieben drin! Aufschieben ist nicht nur etwas Negatives!
  • Schau genau hin! Wenn dich Prokrastination sehr beeinträchtigt, such dir Unterstützung!
  • Unter Umständen kann man zu dem Thema auch Therapie und Coaching parallel machen.
  • Für Scanner lohnt der Blick: Ist es wirklich Aufschieben oder steckt ein Abschiedsthema oder eine Unversöhntheit mit der eigenen Persönlichkeit dahinter?

Wenn du Annettes Unterstützung möchtest, gibt es folgende Möglichkeiten:

Du kannst ihre Bücher lesen

Auf die lange Bank: Wenn Aufschieben zum Problem wird*

Vielbegabt, Tausendsassa, Multitalent?: Achtsame Selbstfürsorge für Scannerpersönlichkeiten*

Du kannst sie als (Emotions)Coach buchen. Sie schaut immer nach dem Thema hinter dem Thema und hilft dabei, die Blockade zu lösen.

Oder du kannst an einem ihrer Success-Teams (Unterstützungsteams) teilnehmen: Begleitung bei einem Projekt über 9 Monate im kleinen Team

Alle Infos: https://www.annette-bauer.com/

Annette Bauer

Annette Bauer ist Emotionscoach, arbeitet mit  Successteams und nennt sich selbst „Coach mit dem Terrier-Gen“. Sie kommt aus dem Begabungscoaching und coachte lange ausschließlich Scannerpersönlichkeiten und Menschen mit außergewöhnlichen Begabungen. Ihr Buch „Auf die lange Bank. Wenn Aufschieben zum Problem wird.“ hat für sie selbst – auch vielbegabte Tausendsassa – den roten Faden ihrer über 20jährigen Beratungserfahrung weitergesponnen und ihre Vielfalt gebündelt.

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