Was ein Perfektionsanspruch mit Aufschieben und Stress zu tun hat

Perfektionsanspruch


Heute möchte ich mit dir über das Thema Perfektionsanspruch sprechen und was das mit den Themen Aufschieben und Entspannung zu tun hat. Kürzlich habe ich dazu ein Video auf Instagram veröffentlicht und das Thema ist so wichtig, dass ich es jetzt auch in den Podcast und hier in den Blog aufgenommen habe. Als Beispiele geht es unter anderem um Abschlussarbeiten und über die Wahl des Berufsfeldes. Ich wünsche dir sehr viel Vergnügen beim Lesen und hoffe, ich kann dich inspirieren, vielleicht hier und da mal ein paar Prozent weniger Perfektionsanspruch an dich anzulegen.

Möchtest du lieber die Podcast-Episode hören? Bitte sehr:

Perfektion führt zu Aufschieben und erzeugt Stress

Das Thema Perfektion oder Unperfektion ist sowohl für das Thema Aufschieben relevant als auch für das Thema Entspannung. Kürzlich kam das Thema an einem Tag in zwei Uni-Workshops auf. Im Anti-Aufschiebe-Workshop ging es darum, dass man nicht ins Tun kommt, weil man denkt: “Ich kann es ja gar nicht perfekt machen, also lasse ich es lieber gleich.” Und im “Stress lass nach”-Workshop haben wir darüber gesprochen, dass Perfektionsanspruch dazu führt, dass ich mich nicht entspannen kann, weil ich es ja nie gut genug mache.

Getreu nach diesem Motto “Lieber unperfekt als nicht gemacht” kannst du dir gern meinen allerersten Livestream auf Instagram anschauen. Dieser war auch nicht super perfekt, aber es haben ihn schon etliche Leute angeguckt. Denn häufig ist unser eigener Anspruch an uns selbst viel höher als der Anspruch der Umwelt. Ich persönlich umgebe mich sehr gerne mit Menschen, die keinen Perfektionsanspruch an mich haben, sodass wir entspannt miteinander sein können und ich nicht durch irgendwelche Erwartungen von anderen in Stress gerate.

Wenn du eine Aufgabe hast, die du angehen willst, und bei der du nicht ins Tun kommst, überlege doch einmal, ob vielleicht ein Perfektionsanspruch dem im Wege steht, weil du denkst: “Ich kann es nicht perfekt machen, also fange ich lieber gar nicht erst an.” oder “Ich kann es noch nicht abschicken. Es ist nicht perfekt genug.” Schau mal, wo dein eigener Anspruch dem Anfangen oder dem Fertigwerden oder auch dem Arbeiten zwischendrin im Wege steht und dich blockiert, weil du das Gefühl hast: “Ich mach das sowieso nicht gut genug, dann lass ich es lieber gleich bleiben.”

Oder wenn eher Entspannung dein Thema ist: Schau doch mal, was dein aktueller Stress vielleicht mit einem hohen oder sogar perfektionistischen Anspruch an dich selber zu tun hat. Und dann überlege einmal, wo du den Anspruch noch um ein paar Prozent sinken lassen kannst. Du kannst z.B. das Pareto Prinzip anwenden, das besagt, dass man häufig mit 20 Prozent Aufwand schon 80 Prozent der Gesamtleistung geschafft hat. Und dann vertrödelt man noch die restliche Zeit mit dem Streben nach Perfektion. Für einige Dinge ist diese Rechnung vielleicht ein bisschen überspitzt, aber häufig ist es so, dass gerade Menschen, die zu einem Perfektionsanspruch neigen, eigentlich schon viel weniger abgeben könnten, und das würde auch schon ausreichen.

Perfektion existiert eigentlich gar nicht – wovor hast du Angst?

Perfektion existiert ja in der Natur gar nicht. Die schönsten Naturereignisse sind häufig unperfekt. Und sogar einige der attraktivsten Menschen in Film und Fernsehen haben gar nicht das perfekte Gesicht oder den perfekten Körper. Sie haben einfach eine super Ausstrahlung und es ist völlig egal, ob das Gesicht ein bisschen schief ist oder die Nase ein bisschen krumm. Da gucken wir gar nicht so hin. Also auch da ist Perfektion gar nicht das Non-Plus-Ultra!

Wenn du z.B. in deiner Abschluss-Arbeit mit deinem Perfektionsanspruch zu kämpfen hast und es dir deshalb schwer fällt, dabei zu bleiben oder Kapitel an deine/n BetreuerIn zu schicken, dann steckt wahrscheinlich die Sorge dahinter, dass etwas Unangenehmes passieren könnte, wenn es nicht perfekt genug ist. Dann überlege einmal, was das Schlimmste ist, das passieren könnte, wenn du es jetzt abschickt und es nicht super perfekt ist. Was ist die Sorge, die dahinter steht? Es ist immer spannend, an dieser Stelle etwas tiefer zu gehen und zu analysieren, wovor du eigentlich Angst hast. Häufig ist es so, dass wir Angst vor einer negativen Bewertung haben und davor, dass wir vielleicht Ärger oder eine negative Rückmeldung bekommen. Oft passiert das gar nicht. Und selbst dann, wenn jemand etwas am Ergebnis auszusetzen hat, oder eine andere Vorstellung oder einen anderen Anspruch hatte, ist er ja in der Regel nicht böse auf uns. Die größte Angst haben wir aber häufig auf der Beziehungsebene und gar nicht auf der Sachebene, dass der andere ein schlechtes Bild von uns hat. Allerdings wird man nie erfahren, wie der andere das Werk findet, wenn man es nicht zeigt. Und je länger man sich gruselt, umso schlimmer wird es vermutlich mit dem Stress.

Erwartungen erzeugen häufig Enttäuschung und Stress

In dem “Stress lass mach”-Workshop neulich haben wir über Erwartungen gesprochen und dass Erwartungen, die ich habe, egal in welcher Form, ob ich etwas Negatives erwarte oder auch etwas Positives, häufig zu Enttäuschung führen und Stress auslösen. Wenn das positive Ereignis nicht eintritt, bin ich enttäuscht und genervt. Oder wenn ich die ganze Zeit schon auf einen negativen Ausgang hinfiebere, habe ich die Anspannung und schlechte Laune schon vorher, egal, ob es wirklich so sein wird oder nicht.

Alles, was ich mache, was in die richtige Richtung steuert und was ich abarbeite, ist besser, als wenn ich über meinem perfekten Plan brüte und nicht ins Tun komme. Und tatsächlich haben andere häufig einen viel niedrigeren Anspruch als wir selbst. Mein Betreuer hat damals gesagt, ich hätte mir viel zu viel Stress gemacht und mein Anspruch war viel zu hoch. Er wäre schon mit viel weniger zufrieden gewesen.

Und eigentlich ist es egal, was die anderen über uns denken. Also in Wirklichkeit ist uns das natürlich nicht egal und wir wollen ein gutes Verhältnis haben und wir wollen gerne, dass uns am besten alle liebhaben. Das ist sehr weit verbreitet. Ich möchte auch, dass du mich magst und gut findest, was ich hier mache. Aber in Wirklichkeit ist ja wichtig, dass ich mit mir gut lebe und dass ich gut durch mein Leben komme. Und ich kann es sowieso nicht allen recht machen. Es geht technisch nicht, weil jeder seinen eigenen Geschmack, seine eigenen Erwartungen und Ideen hat, wie Dinge zu laufen haben. Falls irgendwas überarbeitet werden muss, ist es klug, möglichst früh den Zwischenstand abzugeben und dann das Feedback einzuarbeiten. Und je mehr Zeit dafür ist, umso besser kann man das mit der/dem BetreuerIn abstimmen und an ihre/seine die Erwartungen anpassen.

Nach dem Abschluss ist es am besten, wenn man sich sein Tätigkeitsfeld so aussucht, dass einem das, was dazu gehört, leicht fällt. Aber um einen Abschluss zu machen, gehören manchmal auch Aufgaben dazu, die man nicht so mag oder die einem nicht so sehr lieben. Dann ist es besonders wichtig, den eigenen Perfektionsanspruch auf “Normalniveau” zu setzen. Es ist ja nicht so, dass die Abschlussarbeits-Note über das gesamte weitere Leben entscheidet, auch wenn uns das häufig weisgemacht wird. Aber das ist nicht meine Erfahrung. Natürlich weiß ich, wenn man versucht, einen Master-Platz zu kriegen, besteht u.U. ein hoher Notendruck. Aber ich habe auch viele Studierende getroffen, die zunächst ganz verzweifelt waren, weil ihre Note schlechter ausgefallen ist, als sie geplant hatten und die Sorge hatten, keinen Masterplatz zu bekommen. Und entweder sind sie noch nachgerückt oder waren dann ganz glücklich damit, dann an einer anderen Universität weiter zu studieren oder ein Semester zu warten und mal eine Pause zu machen.

Man könnte stattdessen natürlich auch in die “Opferrolle gehen”: Das böse System. Und ist es nicht furchtbar? Oder man lässt es es bleiben und bleibt in der eigenen Kraft mit der Einstellung: “Es wird alles gut im Leben. Ich werde meinen Weg gehen, so oder so.”

Es gibt immer ganz viele verschiedene Lösungen, verschiedene Möglichkeiten. Es ist nicht gesagt, dass die Welt untergeht, falls es keine 1 wird.

Entkoppele deine Abschlussarbeit von dem, was danach kommt

Apropos Erwartung. Wenn ich Erwartungen habe an die Zukunft, dann immer möglichst positive. Damit ziehe ich mehr die positiven Dinge in mein Leben. Und ich würde vielleicht sogar die Abschlussarbeit erst einmal vom Gedanken an den Master-Platz abkoppeln. Auch dieses Thema kam in dem Workshop neulich zur Sprache. Eine Studentin sagte: “Ich bin so blockiert, die Masterarbeit fertig zu machen, weil ich noch nicht weiß, was ich danach arbeiten will. Und ich müsste ja jetzt quasi schon anfangen, mich zu bewerben.” Das ist auch ein Perfektionsanspruch. Dass ich mitten in dem größten Chaos der Abschlussarbeit schon wissen soll, was es dann am Ende wird, wenn es fertig ist, ist für viele auch eine totale Überforderung. Wenn du es vorher noch nicht weißt, dann nimm dir Zeit. Stelle erst einmal nur deine Abschlussarbeit fertig und denke daneben oder sogar erst danach ganz entspannt darüber nach:

Worauf habe ich Lust?
Was würde mir Spaß machen, wenn Geld kein Thema wäre?
Was würde ich dann tun?

Und dann schau anschließend in Ruhe, wohin es dich treibt und was du gern arbeiten willst.

Es gibt so viele Möglichkeiten, sich Stress zu machen. Man muss sie ja nicht alle nutzen.

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